In einer Welt, die sich ständig weiterentwickelt und nach Inklusion strebt, spielen Sprachen eine zentrale Rolle. Insbesondere die Gebärdensprache und gebärdenbegleitete Kommunikation als eine wichtige Kommunikationsform für gehörlose und hörbeeinträchtigte Menschen, rückt zunehmend in den Fokus, was wir sehr begrüßen und unterstützen.
In den Seminaren und Kursen der Zwergensprache werden einzelne Begriffe aus der Gebärdensprache für größtenteils hörende Kinder und ihre Eltern vermittelt. In der Zeit, bis die Kinder sprechen, eröffnen ihnen diese Gesten und einzelne Handzeichen für Substantive, Verben und Adjektive eine aktive und altersentsprechende Kommunikationsmöglichkeit in ganz vielen Alltagssituationen.
Dabei nutzen die Bezugspersonen die Gebärden parallel zur Lautsprache und spezifisch für wichtige Schlüsselworte im Satz, um diese visuell hervorzuheben und durch die Bildhaftigkeit der Bewegung leichter für Kinder verständlich zu machen.
Könnte man es nun als Anmaßung betrachten, sich die Gebärdensprache für solche Zwecke „anzueignen“? Das werden wir manchmal gefragt. Wir vermitteln jedoch keine vollständige Sprache, sondern eine Möglichkeit durch einfache, bildhafte Gesten das Gesprochene zu visualisieren.
„Das wäre nicht beabsichtigt und sogar das Gegenteil ist der Fall“, betont auch die Gründerin der Zwergensprache Vivian König. Wir wünschen uns, Brücken zu bauen, um jedem Kind nach seinen individuellen Stärken eine aktive Teilhabe an der Kommunikation zu ermöglichen und gleichzeitig mehr Wissen und Zugang zur Gebärdensprache in die Welt zu tragen. Die positiven Erlebnisse, die Eltern mit ihren Kindern über die ersten Gebärden haben, wecken auch ihre Neugier auf die Kultur und Besonderheiten dieser Sprachform und auf die Gehörlosengemeinschaft.
Zeichen, Gesten oder Gebärden als nonverbale Merkmale sind ein Teil jeder Sprache, denn Zeichen sind unser aller Wurzeln.
Sprachen sind zudem für alle da – egal ob Englisch, Spanisch oder eben Gebärdensprache. Nur durch gegenseitige Verständigung wächst auch das Verständnis füreinander und das wertschätzende Miteinander. Hier haben wir in unseren Ländern jedoch noch deutlichen Nachholbedarf – in den Köpfen als auch im Tun!
Das Konzept der Babygebärden existiert im englischen Sprachraum bereits seit Ende der 80er Jahre. Mittlerweile ist es dort sowohl im pädagogischen als auch klinischen Bereich als normal anzusehen.
Bei uns wurde die Zwergensprache als Kursnetzwerk für Kinder mit und ohne Beeinträchtigungen vor ca. 20 Jahren etabliert und von Anfang an bewusst in Kooperation u.a. mit dem Gebärdenfachverlag von Karin Kestner publiziert, die für ihre wertvolle und unermüdliche Arbeit zur Anerkennung der Gebärdensprache und der Rechte gehörloser Menschen mit dem Bundesverdienstkreuz für ihr Lebenswerk ausgezeichnet wurde.
Die einzelnen mit den Babys und Kleinkindern im vorsprachlichen Alter verwendeten Handgesten stammen grösstenteils aus der offiziellen Deutschen Gebärdensprache, kurz: DGS. In Österreich auch ÖGS oder in der Schweiz DSGS. Unsere Kurse besuchen fast ausschließlich hörende Familien mit hörenden Kindern in den ersten zwei Lebensjahren. Daher nutzen wir vor allem Einzelgebärden zur Visualisierung von Worten und für das Lernen auf vielen Sinneskanälen.
Wir gebärden mit den Kleinsten jedoch in der Regel keine kompletten Sätze, wie gehörlose Eltern es mit ihren Kindern selbstverständlich tun, sondern vermitteln mit Bezug auf die Unterstützung der Kommunikationsmöglichkeiten entsprechend babyrelevante Gebärden – diese jedoch ohne Gebärdensprachgrammatik, sondern im Kontext der Grammatik der gesprochenen Familiensprache(n).
Kritik und Sorgen entsteht oft aus Unwissenheit. So bekommen Babygebärdenanbieter manchmal vorgeworfen, die Gebärdensprache zu nutzen, um einseitig Profit daraus zu schlagen. Profitieren können nach unseren Erfahrungen davon alle, die sich darauf einlassen – in erster Linie die Kinder, die sich dadurch besser verstanden fühlen und mit Freude aktiv in die Kommunikation hineinwachsen. Dann alle Erwachsenen, die etwas Neues lernen und über den kulturellen Tellerrand schauen.
Die Verbreitung des Konzeptes bieten vielerlei Chancen ins Gespräch zu kommen, Aufklärung zu betreiben und eine Sensibilisierung in Bezug auf Gebärdensprache voranzubringen. Manche unserer Kolleg:Innen im Team arbeiten als Dolmetscher:Innen oder geben erste DGS Kurse mittlerweile sogar als Wahlfach an Schulen. Andere haben hörgeschädigte Kinder oder Verwandte. Manchen von uns, die im sozialen, klinischen oder pädagogischen Bereich arbeiten, helfen die Gebärden, sich mit Kindern aus anderen Sprachwelten besser zu verständigen und diese mit ihren Bedürfnissen achtsamer begleiten zu können.
Die Verwendung von Gebärden wie in der Zwergensprache schlägt eine Brücke zur Gehörlosen-Community und die generelle Sichtbarkeit der Gebärdensprache in der Gesellschaft wird somit deutlich erhöht. Die offene und respektvolle Auseinandersetzung und ein wertschätzender Zugang zum Thema sind notwendig, um historische Vorurteile abzubauen und eine inklusive Gesellschaft zu schaffen und nach diesen Werten das Miteinander zu leben.
Die Gebärdensprache hat das große Potential, Inklusion insbesondere in Kitas und Schulen zu fördern und Barrieren abzubauen. Sprachen eröffnen Wege zu anderen Welten, Kulturen und Menschen - sie sind Brückenbauer.
Wir freuen uns im Zwergensprache-Netzwerk darüber, in vielen kleinen Schritten an vielen verschiedenen Orten in D, AT und CH auf diesem Weg immer wieder etwas beitragen zu dürfen.
Besonders schön ist es, wenn hörende Eltern mit hörbeeinträchtigten Kindern über unsere spielerischen Zwergensprache Eltern-Kind-Gruppen mit einem ersten „Light-Einstieg“ in diese Gebärdenwelt hineinschnuppern können, um diesen Weg für ihr Kind dann über Jahre zu vertiefen – am besten mit einem Hausgebärdenlehrer aus der Gehörslosengemeinschaft. Genauso berührend, wenn Kinder mit Down-Syndrom oder Entwicklungsverzögerung dank der Gebärden in den Selbstausdruck finden und sich gesehen und verstanden fühlen.
Mittlerweile vertiefen auch in Zwergensprache geschulte Kitas ihren Gebärdenwortschatz und Kenntnisse über die Grammatik über weitere DGS-Kurse in ihrer Region, so dass es sogar schon Einrichtungen gibt, in die gehörlose Familien bewusst ihre Kinder geben, weil sie sich dort besonders willkommen und respektiert fühlen. Möge dies in Zukunft überall für sie der Fall sein!
Es ist für uns berührend und erfüllend zu sehen, dass unsere Schulungen dazu den Anstoß geben und sich langfristig etwas verändern kann. Nach 20 Jahren Pionierarbeit merken wir nun einen deutlichen Wandel in der Offenheit der Gesellschaft für dieses Thema.
Sowohl im Kollegium der Kursleitungen als auch unter den Familien, die wir in den Kursen begleiten und bei den geschulten Fachpersonen ist das Interesse merklich groß, nicht nur Gebärden zu lernen und im Alltag zu integrieren, sondern auch mehr zu dieser faszinierenden Sprache und zum Leben von hörbeeinträchtigten und gehörlosen Menschen zu erfahren.
Und hier setzen wir in jedem Kurs durch unsere eigene Haltung an: einen freudvollen Zugang zu vermitteln, sich mit Gebärden auseinanderzusetzen und einen vorurteilsfreien Einblick in die Welt der Gehörlosigkeit und die Kultur erleben zu dürfen.
Autorinnen:
Katharina Schütze, Ergotherapeutin B.Sc., Kursleiterin für Zwergensprache, Dunstan Babysprache und Babymassage in Osnabrück, Regionalleiterin für Niedersachsen und Norddeutschland
Vivian König, Gründerin und Geschäftsführerin der Zwergensprache GmbH, Ausbilderin für Babyzeichensprache und Dunstan Babysprache, Autorin, Leipzig
Patricia Geiger, Gebärdensprachdolmetscherin, Kommunikationsassistentin, Zwergensprache und Dunstan Babysprache Kursleiterin in der Region Basel,Länderleitung für die Schweiz