von Jana Herout

Ein Anruf vom Dienst habenden Kinderarzt: Notkaiserschnitt, Frühgeborenes der 30. Schwangerschaftswoche, geschätztes Gewicht 1500 Gramm. Es herrscht hektisches Treiben im Kreißsaal, die Vorbereitungen für die OP laufen, Beatmungsgerät, Absauge, Infusionen werden überprüft, am Intensiv- versorgungsplatz ist alles vorbereitet. Das Neo-Team steht bereit, um das kleine Frühgeborene in Empfang zu nehmen.
Ganz plötzlich wird das Frühgeborene aus seiner natürlichen Umgebung herausgerissen. Die schützende Hülle des Uterus, die Geborgenheit vermittelt, sanfte Bewegungen, leise Klänge und gedämpftes Licht, sowie eine totale Bedürfnisbefriedigung ermöglicht, gibt es nicht mehr. Das Frühgeborene wird in einer Umgebung geboren, die viel Ungewisses mit sich bringt: helles Licht, laute Geräusche, Stress, Schmerzen, Hunger, Durst und die Trennung von der Mutti.
So oder ähnlich sieht der Start für die meisten Frühgeborenen oder kranken Neugeborenen aus.
Um Frühchen und kranken Säuglingen einen bestmöglichen Start zu gewähren, ist eine entwicklungsfördernde Betreuung wichtig. Dies bedeutet, so wenig wie möglich an Intensivmedizin und dafür die Unterstützung der Kompetenzen der Frühge- borenen oder kranken Neugeborenen und ihren Eltern in den Vordergrund zu rücken.

Wir bemühen uns auf unserer Station, dass alle Frühgeborenen oder kranken Neugeborenen nach der Erstversorgung bei Mama oder Papa känguruhen dürfen. Der frühe Hautkontakt wirkt sich positiv auf die Atmung und andere Vitalwerte, sowie auf eine sichere Eltern-Kind-Bindung aus.
Sehr früh reagieren die Kleinen auf beruhigende Worte der Eltern oder das Auflegen der Hände im Inkubator. Oft sitzen die Eltern am Inkubator und lesen Geschichten vor oder nutzen die Känguruh-Zeit für eine gemeinsame Kommunikation.
Nachdem sich das Frühgeborene oder kranke Neugeborene stabilisiert hat, werden die Eltern immer mehr mit in die Pflege einbezogen. Die gemeinsame Pflege fördert die elterliche Kompetenz und hilft, dass das Baby mit seinen Eltern als eine Einheit zusammenwachsen kann. Gerade am Anfang finden es die meisten Eltern sehr schwierig, mit ihrem kleinen und zerbrechlich wirkenden Kind zu sprechen. Sie haben Angst, sind überfordert von der notwendigen Intensivtherapie und dem „Piepsen“ der Monitore.
Ich ermutige die Eltern, das Gespräch mit ihren Kindern zu suchen und alle Pflegemaßnahmen mit Worten zu begleiten. Es ist so schön mit anzusehen, wenn die beruhigenden Worte der Eltern und der Hautkontakt mit Auflegen der Hände beim Versorgen die Kinder entspannt und die Falten sich auf der Stirn glätten und ein zaghaftes Lächeln auf dem Gesicht der Frühgeborenen zu sehen ist. Und wenn nun noch die Eltern darauf aufmerksam gemacht werden, dann strahlt auch ihr Gesicht. Diese oder ähnliche schönen Momente zeigen mir immer wieder, dass sich die Arbeit lohnt.

Entspannte beruhigende Worte wirken wie Balsam für die Seele, sie stärken die Eltern-Kind-Bindung und verbessern die Verarbeitung der Intensiv-Zeit.
Das Tragen im Tragetuch stellt eine weitere schöne Kommunikationsform zwischen Frühgeborenem oder krankem Neugeborenen und Eltern dar. Haben sich die Kleinen soweit stabilisiert, dass keine große Überwachung und Infusionstherapie von Nöten ist, dann werden die Eltern im Binden des Tragetuches angeleitet. Viele Eltern freuen sich über dieses Angebot und nutzen dieses.
Mit dem Tragen wird die fehlende Tragezeit, die oft abrupt beendet werden musste, einfach nachempfunden. Die Nähe wirkt sich beruhigend und stabilisierend auf die Kinder aus und die Eltern werden sicherer im Umgang mit ihren kleinen Babys.
Ich bin sehr froh, dass sich in der Intensivmedizin eine Wandlung vollzieht, in der die Kompetenzen der Frühchen und ihren Eltern Vorrang haben.
Ich wünsche mir, das eine einfühlsame und heilende Kommunikation auf allen Intensivstationen Einzug hält, damit auch die Kleinsten in eine glückliche Zukunft starten können und ihre Familien von Anfang an eine gute Unterstützung erfahren dürfen.
Autorin: Jana Herout,
Kinderkrankenschwester, zertifizierte Trageberaterin,
Kursleiterin für Baby- und Kindermassage, Dunstan Babysprache und Zwergensprache,
www.praxiskuschelbaer.de
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