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verstehen

Babyzeichen im Alltag der Gefühle

Dieses Jahr durfte ich das erste Mal erleben, dass von dem Lärm der Raketen und Knaller an Silvester ein Kind wach geworden ist. Meine 21 Monate alte Tochter saß weinend im Bett und rief nach Mama. Sie hatte sich ganz offensichtlich erschrocken und zeigte mir, dass sie aus dem Raum hinaus möchte, weil sie den Lärm nicht zuordnen konnte. Da sie sich nicht beruhigte, nahm ich sie mit nach draußen und suchte ein Fenster, an welchem ich ihr die Raketen zeigen konnte. Sie zeigte mir mit den Babyzeichen, dass es ihr zu „laut“ sei und sie „Angst“ habe. Ich erklärte und zeigte ihr, dass die Raketen so „laut“ seien. Die kannte sie von unserem Spaziergang am späten Nachmittag, weil wir da bereits welche beobachten konnten.


Dann zeigte sie mir nochmal mit ihrem selbst erfundenen Babyzeichen, dass sie sich „erschrocken“ hätte (beide Hände an die Brust gelegt und erschrockenes Gesicht dazu) und ich bin so froh, dass wir uns nach diesem Schreck so darüber unterhalten konnten. Verbale Worten waren ihr in dem Moment gar nicht möglich.

Die Zwergensprache hilft uns oft, die Gefühle unserer jüngeren Tochter besser einzuordnen und darüber sind wir sehr dankbar. Unsere Erstgeborene zeigte das Babyzeichen für „Angst“ sogar noch lang, obwohl sie es schon längst verbal sagen konnte - wenn sie Angst hatte, kam immer erst das Babyzeichen und dann "Ich habe Angst" oder "Das macht mir Angst"...auch hier ist die Motorik einfach schneller als die Sprache oder die Hände eben schneller als die Zunge :).

In diesem Sinne wünsche ich allen ein gefühlsreiches Jahr!

Autorin: Carolin Pfitzner, Zwergensprache in Ingolstadt, Sprachtherapeutin

Die Zeichen als Anker

Mein Sohn hatte die Zeichen der Zwergensprache voll für sich entdeckt! Er zeigte uns seine Welt, die interessanten Dinge, die er sah. Er zeigte Papa abends, was wir tagsüber erlebt hatten. Sie halfen uns, als er das Sprechen lernte und anfangs noch nicht alle Worte so eindeutig waren. Dann kam die Zeit, wo er intensiv lernte zu sprechen und fast täglich musste ein Zeichen einem neuen Wort weichen. Ein wenig war ich traurig darüber, aber das Ziel war ja immer das sprechen.

Irgendwann nutzte er natürlich keine Zeichen mehr.

Dann waren wir zu Besuch bei meinen Eltern. Mein Sohn half uns beim Tisch decken, als ihm eine kleine Tasse aus der Hand fiel und zerbrach. Wir machten die Scherben weg und sagten ihm, dass es nicht schlimm ist und suchten eine neue im Schrank. Aber mein Sohn holte die Scherben aus dem Müll und schaute mich ganz traurig an „Mama ganz machen“. Ich erklärte ihm, dass es nicht geht, es aber auch nicht schlimm ist. Da drehte er sich zu Oma um: „Oma ganz machen“, aber auch Oma konnte ihm nicht helfen. Nachdem er auch Opa flehend anschaute, drehte er sich wieder zu mir um, sagte tief traurig „Mama“ und machte die Gebärde für REPARIEREN.

Da wusste ich, dass die Zeichen auch jetzt noch für ihn der „Anker“ sind.

 

Autorin: Barbara Mößner, Mama von 4 Kindern, Zwergensprache sowie Dunstan Kursleiterin im Unstrut-Hainich-Kreis, Thüringen, Krankenschwester